efms Migration Report
Dezember 2004 | | | | |
EU:
Sachverständigengruppe Menschenhandel legt Bericht vor
Die von der
Europäischen Kommission eingesetzte Sachverständigengruppe
Menschenhandel legte dem neuen EU-Justizkommissar Franco Frattini am 22.12.04 einen
Bericht über Möglichkeiten zur Bekämpfung des Menschenhandels
innerhalb der EU vor. Die Mitgliedsländer werden u.a. dazu aufgefordert, mehr legale
Einwanderungswege zu schaffen. Eine geregelte Zuwanderung müsse
Arbeitserlaubnisse und Visa umfassen, die nicht an einen bestimmten Arbeitgeber oder an
eine bestimmte Arbeit gebunden seien. Frattini kündigte an, die Kommission werde
2005 ein Konzept zur Bekämpfung des Menschenhandels auf Grundlage dieses
Gutachtens erstellen. FTD 23.12.04
Die Integrationsdebatte in
Deutschland geht weiter
Am 01.12.04 debattierte der Bundestag
über die Integration von Ausländern und den Kampf gegen radikale Muslime.
Unterschiedliche Anträge von Regierungskoalition ("Zusammenleben auf der
Basis gemeinsamer Werte") und CDU/CSU ("Politischen Islamismus
bekämpfen - verfassungstreue Muslime unterstützen") wurden
eingebracht. Dabei lieferten sich beide Seiten einen heftigen Schlagabtausch über den
von der Union geprägten Begriff der "Leitkultur". Die
Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte die Union auf, "Schluss zu machen
mit den Lebenslügen" über Ausländer in Deutschland. "Wir sind ein Einwanderungsland, Deutschland ist eine multikulturelle
Gesellschaft". Neben SPD und Grüne lehnt auch die FDP den Begriff der "Leitkultur" ab. Der Parteivorsitzende Guido Westerwelle (FDP) schlug die
Einrichtung eines runden Tisches der Religionen vor. Bundespräsident Horst
Köhler und der bayrische Innenminister Beckstein (CSU) sehen bedenkliche
Ansätze von "Parallelgesellschaften" in deutschen Städten. Laut
Beckstein sei die Anziehungskraft des deutschen Sozialsystems für viele Migranten
offensichtlich sehr viel höher als die Anziehungskraft des deutschen Rechtsstaates und
Gesellschaftssystems. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Müntefering warnte davor, den
Kampf gegen den radikalen Islamismus mit Fragen der Integration von Einwanderern in
Deutschland zu verknüpfen. Am 07.12.04 verabschiedete die CDU auf ihrem Parteitag
in Düsseldorf einstimmig einen Maßnahmenkatalog, der den Verfassungseid bei
der Einbürgerung, Sanktionsmöglichkeiten bei mangelnder
Integrationsbereitschaft wie auch schärfere Strafen bei Rechtsverstößen
verlangt. Kinder sollen nur bis zum Alter von 6 Jahren zu ihren in Deutschland lebenden
Eltern nachziehen dürfen und in Deutschland lebende ausländische Kinder nur
bei ausreichenden Sprachkenntnissen eingeschult werden. Die Integrationsbeauftragte der
Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), kritisierte beide Forderungen. Eine
Begrenzung des Familiennachzugs widerspreche dem EU-Recht, eine spätere
Einschulung sei rechtlich und pädagogisch höchst fragwürdig. Die
Integrationsbeauftragte von Rheinland-Pfalz, Maria Weber (FDP), bezeichnete die
Beschlüsse als das Aufwärmen von längst getroffenen Regelungen. So
gelte das von der CDU geforderte Verbot von Zwangsehen längst. SZ 02.12.04 // FAZ 03.12.04 // SZ 03.12.04 // Focus
06.12.04 // Der Spiegel 06.12.04 // Der Spiegel 06.12.04 // BZ 06.12.04 // Der Spiegel
07.12.04 // Die Welt 09.12.04 // BZ 09.12.04 // International Herald Tribune 10.12.04 // SZ
11.12.04 // NZ 20.12.04 // Berliner Zeitung 30.12.04
Zuwanderungsgesetz: Integrationskursverordnung
Am 01.12.04 beschloss die Bundesregierung eine Verordnung über die
Durchführung der im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes ab 01.01.2005 verbindlichen
Integrationskurse. Koordiniert durch das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) erhalten künftig rund 140.000 Neuzuwanderer aus
Nicht-EU-Ländern 600 Stunden Sprach- und 30 Stunden Orientierungsunterricht
über Recht, Geschichte und Kultur Deutschlands. 2005 stellt der Bund dafür 208
Millionen Euro bereit. Kursziel ist das Erreichen eines Sprachzertifikats auf dem Niveau B1
des Europäischen Referenzrahmens, welches Voraussetzung für eine
unbefristete Niederlassungserlaubnis und eine beschleunigte Einbürgerung werden
soll. Bei Verweigerung eines von der Ausländerbehörde angeordneten
Integrationskurses droht die Ausweisung. Bis zu 50.000 bereits in Deutschland lebende
Ausländer könnten aufgrund eines "besonderen
Integrationsbedarfs" zur Teilnahme verpflichtet werden. Dieser besteht etwa bei der
Gruppe der Arbeitslosen oder der Erziehungsberechtigten mit minderjährigen Kindern,
wenn diese noch nicht die deutsche Sprache beherrschen. Der Verordnung ging ein
wochenlanger Streit zwischen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und den Fraktionen
von SPD und Grünen über den von den Zuwanderern zu zahlenden Eigenbeitrag
von einem Euro pro Unterrichtsstunde voraus. Sozialhilfeempfänger und einige
Härtefälle sollen von den Kosten befreit werden, nicht jedoch Migranten, die
ebenfalls in finanziell schwierigen Verhältnissen leben. SPD und Grüne halten
diese Ungleichbehandlung für "verfassungsrechtlich sehr bedenklich".
BMI Pressemitteilung 01.12.04 //
CDU-Homepage 01.12.04 // SZ 02.12.04 // FR 02.12.04 // FAZ 02.12.04 // Berliner
Morgenpost 05.12.04 // Westdeutsche Allgemeine Zeitung 06.12.04 // Hamburger Abendblatt
14.12.04
Neuer Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung: Hans-Peter Kemper
(SPD)
Der neue Aussiedlerbeauftragte der
Bundesregierung, Hans-Peter Kemper (SPD), verspricht sich von den neuen Regeln des
Zuwanderungsgesetzes, welche den weiteren Zuzug von Spätaussiedlern
verschärfen, eine deutliche Verminderung der Probleme bei der Integration von
Russlanddeutschen. Ab 01.01.2005 müssen nicht nur der Antragsteller selbst, sondern
auch die Familienangehörigen in einem Test deutsche Sprachkenntnisse nachweisen.
Zusätzlich haben die Aussiedler einen Anspruch auf Sprachförderung vor Ort.
Laut Kemper hat sich die Zusammensetzung der Aussiedler-Gruppen massiv verändert.
Anfang der 90er Jahre waren 80% Aussiedler mit deutschem Hintergrund und 20%
mitreisende nicht-deutsche Familienangehörige. Heute seien die Zahlen genau
umgekehrt. Um die erheblichen Probleme junger Russlanddeutscher mit Drogen, Alkohol
und Gewalt zu lösen, setzt Kemper zur "nachholenden Integration" auf
Projekte mit dem Deutschen Sportbund. Außerdem fordert er eine künftige
Anerkennung der Studien- und Berufsabschlüsse von Aussiedlern als eine wichtige
Voraussetzung für Integration. Die Welt 17.12.04 // FAZ 19.12.04 // Rheinische Post
27.12.04
Abschiebungen vor Inkrafttreten des neuen
Zuwanderungsgesetzes
Auch im Dezember beobachten
Flüchtlingsorganisationen eine massive Zunahme von Abschiebungen vor Inkrafttreten
des neuen Zuwanderungsgesetzes. Nach Angaben des Arbeitskreises Asyl in Göttingen
wollten manche Behörden -offensichtlich nach Vorgabe der Landesregierung- vor
allem politisch aktive Flüchtlinge aus dem Land drängen. Nach einem
vertraulichen Beschluss der Innenminister der Bundesländer sollen afghanische
Flüchtlinge 2005 erst ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten, sobald die "Rückführung einer größeren Zahl afghanischer
Ausreisepflichtiger" begonnen hat. ND 02.12.04 // SZ 03.12.04 // SZ 10.12.04 // SZ 22.12.04 // taz
29.11.04
Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen
und Jugend stellt Sozialstudie über Migrantentöchter in Deutschland vor
Die vom
Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag
gegebene Sozialstudie "Viele Welten leben" über
Migrantentöchter in Deutschland wurde am 08.12.04 in Berlin vorgestellt. Für
die Studie wurden 950 unverheiratete Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen
15 und 21 Jahren türkischer, griechischer, italienischer, ehemals jugoslawischer
Herkunft sowie Aussiedlerinnen in den Jahren 2001 und 2002 befragt. Es ist das erste Mal,
dass die Situation ausländischer Mädchen in Deutschland so ausführlich
erforscht wurde. Untersucht wurden unter anderem die Rolle und Bedeutung der Familie,
Freundschaften, Sprache und Bildung, Religiosität und Vorstellungen von
Partnerschaft, Geschlechtsrollen und Sexualität. Laut der Integrationsbeauftragten der
Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), zeigten die Ergebnisse, dass die
Schulabschlüsse in keinem Verhältnis zu Erwartung und Potential der meisten
Migrantentöchter stünden. Sie forderte daher eine Förderung beim
Spracherwerb und einen Ausbau von Ganztagsschulen. Ursula Boos-Nünning,
Professorin für Erziehungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen und
Mitautorin, kritisierte, die Diskussion über die Integration junger Migrantinnen gehe an
deren Lebenswirklichkeit vorbei. Oft werde zu Unrecht der Eindruck erweckt, dass junge
Mädchen in muslimischen Haushalten unterdrückt aufwachsen. Der Spiegel
14.12.04 // Tagesschau.de 14.12.04 // BZ 15.12.04 // Die Welt 15.12.04 // NZ 15.12.04 // SZ
15.12.04 // FR 21.10.04
Streit über verschärfte Einreise-Regeln
für jüdische Einwanderer weitgehend beigelegt
Ein
zwischen Innenminister Otto Schily (SPD) und dem Zentralrat der Juden in Deutschland
ausgebrochener Streit über verschärfte Einreise-Regeln für
osteuropäische jüdische Einwanderer ist weitgehend beigelegt. Schily
erklärte sich jetzt bereit, keine Neuregelungen ohne das Einvernehmen des Zentralrats
zu treffen. Da die Grundlage für die alte Kontingent-Regelung aus dem Jahre 1991 mit
dem Zuwanderungsgesetz entfällt, hatten die Innenminister von Bund und
Ländern eine Neuregelung entworfen, die vorsah, ab 2006 nur noch jüdischen
Antragstellern eine Einwanderung zu erlauben, die jünger als 45 Jahre und finanziell
unabhängig sind sowie die Einladung einer jüdischen Gemeinde und deutsche
Sprachkenntnisse vorweisen. Von den für 2005 bereits 27.000 gemeldeten
jüdischen Antragstellern hätte dies nur noch wenigen Hundert eine Einreise
ermöglicht. BZ 21.12.04 // SZ 22.12.04 // FR 22.12.04 // FAZ 29.12.04 // BZ
29.12.04
BVerfG: Anspruch auf Kinder- und Erziehungsgeld
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat den Ausschluss einer
bestimmten Ausländergruppe vom Kinder- und Erziehungsgeld als verfassungswidrig
erklärt. Nach den beiden Entscheidungen (Az.: 1BvL4/97 und 1BvR2515/95) haben
auch Ausländer, die nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügen Anspruch
auf Kindergeld sowie Ausländer, die eine Aufenthaltsbefugnis und eine
Arbeitsberechtigung haben Anspruch auf Erziehungsgeld. Das Verfassungsgericht wies die
geltenden Differenzierungen als "nicht nachvollziehbar" zurück und
forderte den Gesetzgeber zur Prüfung des ab 01.01.2005 geltenden
Zuwanderungsgesetzes sowie zu Neuregelung bis zum 01.01.2006 auf. taz 11.12.04 // FR 30.12.04
BVerwG: Abschiebung Metin Kaplans in die Türkei war
rechtmäßig
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
entschied am 07.12.04, das die Abschiebung des Islamistenführers Metin Kaplan in die
Türkei im Oktober diesen Jahres rechtmäßig war. Es bestätigte
damit das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 26.05.04.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erklärte, durch die Anfang 2005 in Kraft
tretenden sicherheitsrelevanten Regelungen des Zuwanderungsgesetzes habe die
Bundesregierung sichergestellt, dass vergleichbare Fälle künftig schneller
vollzogen werden könnten. Der Instanzenweg gegen Ausweisungsanordnungen von
obersten Landesbehörden oder dem Bundesinnenministerium wegen Gefahr für
die Sicherheit der Bundesrepublik werde auf das Bundesverwaltungsgericht
verkürzt. BMI
Pressemitteilung 07.12.04 // SZ 08.12.04 // FR 16.12.04 // SZ 21.12.04 // FAZ
21.12.04
Statistisches Bundesamt: Leistungen für Asylbewerber sinken auf
Tiefstand
Nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes sind die Leistungen für Asylbewerber seit Einführung der Statistik
1994 auf den tiefsten Stand gesunken. 264.000 Menschen, 5,2% weniger als 2002 und so
wenig wie noch nie seit 1994, bekamen 2003 Wertgutscheine, Sachleistungen oder Geld zur
Deckung des täglichen Bedarfs. 60% der Menschen, die Beihilfen zum Lebensunterhalt
bekamen, waren Männer und mehr als 50% jünger als 25 Jahre alt. Rund 47%
stammten aus Europa, die meisten aus Serbien und Montenegro (29%). 9% besaßen die
türkische, 6% die irakische und 5% die afghanische Staatsbürgerschaft.
Die Welt
15.12.04
Asylstatistik
Im Dezember 2004
haben 2.746 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Damit ist die Zahl der
Asylbewerber gegenüber November 2004 um 3% (+81 Personen) gestiegen, im
Vergleich zum Vorjahresmonat Dezember 2003 jedoch um 19,6% (-670 Personen) gesunken.
Hauptherkunftsländer im Dezember 2004 waren die Türkei (367), Serbien und
Montenegro (334) sowie die Russische Föderation (254), Vietnam (146) und
Aserbaidschan (127). Das Nürnberger Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge (BAFL) hat im Dezember 2004 über die
Asylanträge von 4.180 Personen entschieden, von denen 66 Personen (1,6%) als
Asylberechtigte anerkannt wurden; weitere 101 Personen (2,4%) erhielten Abschiebschutz
nach § 51 Abs. 1 AuslG. Abgelehnt wurden die Anträge von 2.617 Personen
(62,6%). Die übrigen Asylgesuche 1.396 (33,4%) wurden auf sonstige Weise erledigt
(z.B. durch Rücknahme des Asylantrags). Pressemitteilung BMI 23.01.05
Asylbilanz 2004:
Asylbewerberzahlen wieder auf dem Niveau von 1984
Auch im
Jahr 2004 haben mit insgesamt 35.607 Personen in Deutschland deutlich weniger
Asylbewerber einen Asylantrag als im Vorjahr (50.563 Personen) gestellt. Damit ist die Zahl
der Erstanträge auf das Niveau von 1984 zurückgekehrt. So lässt sich bei
acht von zehn Hauptherkunftsländern ein Rückgang feststellen; dieser
fällt am deutlichsten bei den irakischen (-66,4%) und den chinesischen (-50,3%)
Asylbewerbern aus. Lediglich die Zahl der Asylbewerber aus Aserbaidschan (+5,6%) und
Nigeria (+7,5%) ist 2004 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die meisten Asylbewerber
kam 2004 aus der Türkei (4.148), Serbien und Montenegro (3.855), der Russischen
Föderation (2.757), Vietnam (1.668) und Iran (1.369). Desweiteren finden sich
Aserbaidschan (1.363), Irak (1.293), China (1.186), Nigeria (1.130) und Indien (1.118) unter
den zehn Hauptherkunftsländern. Das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge (BAFL) hat im Jahr 2004 über die
Anträge von 61.961 (Vorjahr: 93.885) Personen entschieden. Davon wurden 960
Personen (1,5%) als Asylberechtigte anerkannt und 1.107 (1,8%) erhielten Abschiebeschutz
nach § 51 Abs. 1 AuslG. Abgelehnt wurden die Asylgesuche von 39.563 Personen
(63,9%). Die Anträge der übrigen 20.331 Personen (32,8%) wurden auf sonstige
Weise erledigt (z.B. durch Rücknahme des Asylantrags oder
Ausreise). Pressemitteilung BMI 23.01.05
Dezember
2004 | | | | |
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