efms Migration Report
Juni 2004 | | | | |
Durchbruch im Streit um
deutsches Zuwanderungsgesetz Nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder
(SPD) mit den Vorsitzenden der Oppositionsparteien CDU, CSU und FDP Ende Mai einen
grundsätzlichen Kompromiss in Kernfragen eines zukünftigen
Zuwanderungsgesetzes erzielt hatte, äußerten sich sowohl Regierungs- wie auch
Oppositionsvertreter optimistisch zu den Einigungschancen. Lediglich eine Minderheit
führender Unionspolitiker, wie etwa der hessische Ministerpräsident Roland
Koch (CDU) und der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Horst Seehofer
(CSU), zeigten sich skeptisch und ließen offen, ob sie der endgültigen Fassung
des Gesetzes zustimmen würden. Vertreter der Grünen wiederum kritisierten den
geplanten Verlauf der weiteren Verhandlungen, da ihre Beteiligung an der letzten Runde zur
Ausarbeitung des genauen Gesetzestextes nicht vorgesehen war. In zwei Bereichen
bestand noch Klärungsbedarf zwischen der rot-grünen Koalition und den
Unionsparteien: Zum einen bei der sicherheitspolitischen Frage der Verschärfung der
Ausweisungstatbestände, zum anderen bei der Frage nach der Finanzierung der
Integrationskurse. Nach den Wünschen der Union soll der Bund nicht nur die Kosten
für Sprach- und Orientierungskurse für Neuzuwanderer, sondern auch für
schon länger in Deutschland lebende Ausländer ("nachholende
Integration") übernehmen. Nachdem Bundesinnenminister Otto Schily
(SPD) in der abschließenden Verhandlungsgrunde weitreichende Zugeständnisse
bei der Finanzierung der Integrationskurse gemacht hatte, verständigte sich die
Verhandlungsgruppe, der neben dem Bundesinnenminister auch der saarländische
Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und der bayerische Innenminister
Günther Beckstein (CSU) angehören, auf die endgültige Formulierung
des Gesetzestextes. Schily sprach anschließend von einer "historischen
Veränderung" in der deutschen Gesetzgebung; auch die
Verhandlungsführer der Union zeigten sich zufrieden. Der Vorsitzende der
Grünen, Reinhard Bütikofer, nannte das Ergebnis der Gespräche einen
insgesamt "tragfähigen Kompromiss". Am 30. Juni wurde der
ausgehandelte Gesetzentwurf im Vermittlungsausschuss abschließend beraten und an
den Bundestag überstellt. Um das Gesetz noch vor der Sommerpause auf den Weg zu
bringen, soll darüber bis zum 9. Juli in Bundestag und Bundesrat abgestimmt
werden. FAZ 03.06.04 // SZ 03.06.04 //
BZ 12.06.04 // Welt 12.06.04 // BZ 14.06.04 // SZ 14.06.04 // Handelsblatt 15.06.04 // FR
16.06.04 // SZ 17.06.04 // FAZ 18.06.04 // FR 18.06.04 // FTD 18.06.04 // Welt 18.06.04 //
Welt 22.06.04
Bundesverwaltungsgericht:
Abschiebeschutz wird nur als Individualrecht gewährt In
Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung hat das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass Abschiebeschutz (gemäß
§ 53 Abs. 6 AuslG) nur individuell gewährt werden kann und daher nicht
automatisch für einen gesamten Familienverband gilt, wenn für ein einzelnes
Familienmitglied "Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit" im Zielland der
Abschiebung drohen. Dem Urteil liegt der Fall einer 33-jährigen Nigerianerin
zugrunde, deren Asylantrag ebenso abgelehnt wurde wie ihr Gesuch um Abschiebeschutz.
Gegen diesen negativen Behördenentscheid zum Abschiebeschutz hatte die
Nigerianerin geklagt, woraufhin ihr das erstinstanzliche Verwaltungsgericht Recht gab. Zur
Begründung führte das Gericht die Schutzbedürftigkeit des Kindes der
Klägerin an; da Mutter und Tochter als "Einheit" zu betrachten
wären, müsste der Mutter Abschiebeschutz gewährt werden - ungeachtet
der Tatsache, dass für das Kleinkind kein individueller Antrag auf Abschiebe-schutz
gestellt worden ist. Dieser Sichtweise widersprach jedoch das
nächstinstanzliche Bayerische Verwaltungsgericht und nun auch das
Bundesverwaltungsgericht: Ob Abschiebehindernisse vorliegen, sei für jedes einzelne
Familienmitglied - auch für das Kind der Klägerin - gesondert zu
überprüfen, was bisher jedoch nicht geschehen sei. Würde dem Kind
Abschiebeschutz gewährt werden, würde die "grundrechtlich
geschützte Familieneinheit" die Abschiebung der Mutter allerdings verbieten.
(BVerwG 1C 27.03)
Pressemitteilung BVerwG 16.06.04 // FAZ 17.06.04 // FR
17.06.04
Saarland beschließt Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen Nach
Baden-Württemberg und Niedersachsen hat das Saarland als drittes Bundesland ein
Gesetz zum Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen verabschiedet. Im Landtag
votierten die regierende CDU und die SPD-Opposition einstimmig für die
Änderung des saarländischen Schulgesetzes, wonach zukünftig das
Tragen eines Kopftuches als politisches Symbol in staatlichen Schuldienst verboten,
christliche und jüdische Symbole hingegen weiterhin zulässig sind. Zur
Begründung dieser Ungleichbehandlung der Religionen berufen sich die beiden
Parteien auf die Landesverfassung, in der eine Erziehung nach christlichen Bildungs- und
Kulturwerten verankert ist. Zwar kann das Kopftuch nach Auffassung der beiden Fraktionen
ein religiöses Symbol sein, doch stehe es auch für Fundamentalismus, Intoleranz
und Unterdrückung der Frau; ein Eingriff in die Glaubensfreiheit müsse daher
hingenommen werden, so der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Meiser.
Welt 22.06.04 // SZ 24.06.04 // taz 24.06.04
Bundesverwaltungsgericht:
Baden-württembergisches Gesetz zum Kopftuchverbot ist verfassungskonform
Das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat entschieden, dass das gesetzliche
Kopftuchverbot des Landes Baden-Württemberg "mit dem Grundgesetz
vereinbar" ist und eine hinreichende Rechtsgrundlage bietet, um muslimischen
Lehrerinnen das Kopftuchtragen im Schuldienst zu verbieten. Das Gesetz entspreche, so die
Richter, auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom September 2003,
wonach ein solches Kopftuchverbot nur auf der Grundlage eines Landesgesetzes
möglich ist, und eine solche landesgesetzliche Regelung alle Religion strikt
gleichbehandeln muss. Das im April 2004 novellierten baden-württembergischen
Schulgesetz verbietet allgemein "äußere Bekundungen" im
Schuldienst, die geeignet sind, die staatliche Neutralität und den Schulfrieden zu
gefährden. Dieses Verbot treffe "alle Konfessionen und Weltanschauungen
gleichermaßen", so die Leipziger Richter. Obwohl das Gesetz die
"Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte"
ausdrücklich erlaubt, sieht das Bundesverwaltungsgericht in der
baden-württem-bergischen Regelungen keine Bevorzugung christlicher Religionen.
(BVerwG 2 C 45.03)
Das BVerwG-Urteil stieß auf unterschiedliche
Reaktionen. Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU)
begrüßte das Urteil als "gutes Signal an die Schulen", mit dem
"endlich Klarheit" im Kopftuchstreit geschaffen wird. Der Vorsitzende des
Zentralrats der Muslime, Nadeen Elyas, beklagte hingegen - ähnlich wie der
grüne Rechtsexperte Volker Beck und der ehemalige Verfassungsrichter Gottfried
Mahrenholz - die faktisch ungleiche Behandlung religiöser Symbole, wenn mit dem
Gesetz das islamische Kopftuch verboten, das Tragen christlicher oder jüdischer
Symbole aber zulässig ist. Unterdessen hat sich auch die EU-Kommission in den
deutschen Kopftuchstreit eingeschaltet. Bei der EU-Kommission besteht die Sorge, dass die
Gesetze der verschiedenen Bundesländer zum Kopftuchverbot mit den
EU-Diskriminierungsverbot unvereinbar sein könnten. Pressemitteilung BVerwG 24.06.04 // FAZ 25.06.04 // taz 25.06.04 // SZ
26.06.04 // Welt 26.06.04 // SZ 28.06.04
Deutlicher Rückgang der Asylbewerberzahlen im 1. Halbjahr 2004 Im 1.
Halbjahr 2004 wurden in Deutschland 18.682 Asylerstanträge gestellt. Damit liegt die
Zahl der Asylbewerber um 22,5 % (-5.429 Personen) unter dem Niveau des 2. Halbjahrs 2003
und um 29,4 % (- 7.770 Personen) unter dem Stand des 1. Halbjahrs 2003. Die
Hauptherkunftsländer der Asylbewerber zwischen Januar und Juni 2004 waren die
Türkei (2.289 Personen), Serbien und Montenegro (2.007), die Russische
Föderation (1.261), vor Vietnam (794), dem Iran (711) und Aserbaidschan (680).
Dabei ist bei neun der zehn stärksten Herkunftsländer des 1. Halbjahres 2004 ein
Rückgang gegenüber dem 2. Halbjahr 2003 zu verzeichnen. Besonders deutlich
fällt dieser Rückgang der Asylbewerberzahlen gegenüber dem zweiten
Halbjahr 2003 bei Antragstellern aus China (- 42,6 %), dem Iran (- 32.3 %) und der
Russischen Föderation (- 31,9 %) aus. Im Zeitraum zwischen Januar und Juni
2004 hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
über die Anträge von 34.811 Personen entschieden. 1,6 % (551 Personen)
wurden als Asylberechtigte anerkannt, weitere 1,7 % (596 Personen) erhielten
Abschiebeschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG. Die Anträge von 22,791 Personen
(65,5 %) wurden abgelehnt. Die höchste Anerkennungsquote (asylberechtigt
nach Art 16a GG) unter den zehn wichtigsten Herkunftsländer sind für
Asylbewerber aus dem Iran (5,0 %), aus der Türkei (4,9 %) und aus Pakistan (3,0 %)
ausgewiesen. Abschiebeschutz nach § 51 Abs.1 AuslG erhielten v.a. Flüchtlinge
aus der Russischen Föderation (12,7 %), aber auch aus dem Iran (4,4 %), der
Türkei (2,8 %) und aus China (2,6 %).
Pressemitteilung BMI 04.08.04
Asylstatistik
Im Juni
haben 2.895 Personen Asyl in Deutschland beantragt. Damit steigt die Zahl der Asylbewerber
gegenüber Mai 2004 um 11,0 % (+ 286 Personen), liegt aber um 20,8 % (- 758
Personen) unter dem Niveau vom Juni 2003. Die Hauptherkunftsländer im Juni 2004
waren Serbien und Montenegro (347), Türkei (322) und die Russische
Föderation (159) vor Vietnam (146) und Pakistan (132). Das Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat im vergangenen
Monat über die Anträge von 5.022 Personen entschieden, von denen 73
Personen (1,4 %) als asylberechtigte anerkannt wurden. Weitere 70 Personen (1,4 %)
erhielten Abschiebschutz nach § 51 Abs.1 AuslG. Abgelehnt wurden die Anträge
von 3.259 Personen (64,9 %). Auf sonstige Weise (z.B. durch Rücknahme des
Asylgesuchs) wurden die Anträge der übrigen 1.620 Personen (32,3 %)
erledigt.
Pressemitteilung BMI 04.08.04
Juni
2004 | | | | |
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